Zwei Jahre lang hat sich der hier beheimatete
Schauspieler Erich Schaffner auf die Rolle des Herrn Karl
vorbereitet. Brillant setzt er den Typus Mensch, der sich wie
ein gnadenloses Chamäleon allen Lebenslagen anpasst, um.
Schaffners "Herr Karl" nennt Hitler und Goethe in
einem Atemzug, oder kommt als Helfershelfer der Nazis zu dem
Schluss: "Ich war nur ein Opfer."
(Stadtanzeiger) |
Reumannhof (Wiener Gemeindebau)
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Den Weg des geringsten Widerstandes auch im
Privaten gehend, verließ er die letzte seiner drei Ehefrauen,
als sie "leidend" wurde und ins Spital musste - mit
den Frauen, sei er fertig, meinte er kurz.
Rückblickend, versicherte Herr Karl seinem Gesprächspartner,
sei er mit seinem Leben zufrieden so wie es gelaufen war und
auch wie es zur Zeit laufen würde...
Ein verschwommenes Bild bleibt von der Person des Herrn Karl
zurück, brillant gespielt von Erich Schaffner. Günter Hauf fing
das Wesen Karls in einer Photographie ein, auf der die
menschlichen Umrisse nur zu erahnen sind.
(Freitags-Anzeiger)
(Heimat-Zeitung)
Erinnern Sie sich noch an Helmut Qualtinger, der den "Herrn Kaaarl" schuf?
Sicher ist es schwierig, in dessen in jeder Hinsicht gewaltige Figur
einzusteigen - Erich Schaffner gelang das am Samstagabend hervorragend. Ich
meine fast, dass von der Figur her (Schaffner ist schlank) der "Herr
Karl" irgendwie glaubwürdiger wirkte. Ihm nimmt man den Schla-Wiener ab,
der sich durch alle Lebenslagen durch-schlawinert: Seine Liebschaften und Ehen,
seine Tätigkeiten als Wirt, Kassierer im Sparverein (auch dort greift er in die Kasse),
als Billeteur im Kino, Sammler fürs Winterhilfswerk - immer fällt genug für ihn ab. Jetzt, auf
der Bühne (phantasievoll dekoriert) ist er Lagerhalter einer Getränkegroßhandlung,
katzbuckelt vor der Chefin, sorgt aber dafür, dass er nie zu kurz kommt - und
schwadroniert über vergangene Zeiten. Dabei lässt er die Geschichte der Zeit
von 1927 (Brand des Justizpalastes in Wien) bis zum österreichischen
Staatsvertrag 1955 mit den Besatzungsmächten vor unseren Augen Revue passieren.
Weitgehend ist das auch unsere Geschichte, denken wir an das "Großdeutsche
Reich" von 1939 - Herr Karl wird Blockwart und lässt den Juden Tennenbaum
eine Anti-Nazi Schrift auf dem Trottoir wegputzen, die der natürlich nicht zu
verantworten hatte. Dass Herr Karl vorher mal Sozialist war, dann für Geld erst
für die schwarze Heimwehr, später ebenfalls für Geld für die Nazis
demonstriert, mit den russischen Besatzern hervorragend auskommt, wie bald
darauf mit den Amis, glaubt man "Herrn Karl" aufs Wort und vergisst
dabei, dass Erich Schaffner als ein hervorragender Schauspieler auf der Bühne
steht.
Das "K" brachte ein 1-Mann-Theater in bester Qualität, "Herr
Karl"-Schaffner ließ uns nachdenklich nach Hause gehen.
(Eschborner Tagesspiegel)
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Karl-Marx-Hof (Wiener Gemeindebau) |
Auch Österreich hat seine Arbeiterbewegung und diese eine bewegte Geschichte.
Wer hätte das nicht gewusst. Aber auf genüssliche Weise bildhaft wird diese
Tatsache erst bei Erich Schaffner und
seinem "Herrn Karl".
Im Theatersaal der Stadt Dietzenbach konnten die Besucher, denen auch
am Eröffnungsabend des diesjährigen Hessentages Kunst mehr bedeutete
als Rummel, Ein-Mann-Theater vom Feinsten erleben...
Es ist den beiden Autoren Carl Merz und Helmut Qualtinger sowie der überzeugenden
Verkörperung des österreichischen Kleinbürgers durch Schaffner zu verdanken,
dass auch nicht eine Minute der zweistündigen Vorstellung langweilig wird.
"Ich bin ja ein eher verschlossener Mensch, schaun'S, dass ich hier so mit
Ihnen red, ich hätt's ja net notwendig, i kannt ja auch arbeiten..." sagt
der Herr Karl nach immerhin einer guten Stunde. Erstaunlich, wie der Hesse
Schaffner den Wiener Dialekt und die Mentalität dieses Spießers trifft, ohne
selbst je in Wien gewesen zu sein. Stück für Stück entblättert er diesen
armen Menschen vor einem glucksenden Publikum. Aber schmerzhaft ist dieses
Lachen zu weilen: "Die Frau ist der gebende Teil, und der Mann der
herrschende. Des hab i ihr aa klar g'macht bevur ma g'heirat ham..."
Dieses Stück aus den späten Fünfzigern ist leider kein bisschen veraltet:
Die moderne Form dieser Bestie im Kleinbürgerformat begegnet einem auch heute auf
Schritt und Tritt. Merz, Qualtinger und Schaffner schärfen den Blick dafür.
Doch selbst wenn in einer menschlicheren Zukunft diese Gattung einmal ausgestorben
sein sollte, dürfte das Stück seinen guten Platz unter dem Titel: "Unglaublich,
aber historisch belegt!" in der Vitrine des Museums der Völker behalten.
Der gewichtige Qualtinger hatte sich den Herrn Karl auf den Leib geschrieben und damit
Maßstäbe auch für die Darstellung gesetzt. Erstaunlich ist, dass Schaffners schlanke
Figur der Sache keinen Abbruch tut. Schaffner erlaubt den Zuschauern einerseits
die Einfühlung in dieses tragische Ekelpaket und tritt gleichzeitig
kommentierend und kritisierend neben den Herrn, ohne jemals plakativ zu wirken.
Die epische Darstellungsweise, hier lässt sie sich studieren und lustvoll
obendrein.
(Unsere Zeit)
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